30
Jul
2008

Der schwarze Mann

Der schwarze Mann hatte Zeit. Die tanzende Menge um ihn herum löste ihn nicht von seinem Stehbiertisch, der für mehrere Stunden sein stummer Gesprächspartner geworden war. Eingelöste Biermarken versickerten unter seinem dunklen Shirt, und lediglich der leichte Schweißfilm um seinen dreifingerbreiten Halsring aus Edelstahl ließ ahnen, dass ihm die Hitze der nicht abkühlen wollenden Nacht etwas zu schaffen machte.
Der schwarze Mann schien sich mit seinen Gedanken zu beschäftigen. Mit zwei Fingern strich er regelmäßig das am Bierglas kondensierende Wasser ab, so, als wolle er sich mehr Klarheit über dessen Inhalt verschaffen.
Ab und zu strich er mit einer Hand über seinen glatt rasierten, schweißbeperlten Kopf, so, als wolle er sich Klarheit über dessen Inhalt verschaffen.
Bierglas, Kopf. Bierglas.
Der schwarze Mann hatte Zeit. Die tanzende Menge um ihn herum löste sich langsam auf, und nach und nach machte sich das Volk der Nacht mit der aufgehenden Sonne auf den Weg in die letzten Entspannungsübungen.
Ab und an wippte der schwarze Mann mit einem Fuß zur Musik, die zwei Zureiter an ihrem Pult unter das tanzende Volk warfen. So, als würde man Raubtieren rohes Fleisch hinter die Käfigtür schaufeln. So, als würde sich Gott der Hungrigen erbarmen.
Der schwarze Mann zuckte zusammen, als die Götter hinter den Pulten zum Gebet aufforderten. See the stone set in your eyes. Der drängende Bass schaffte es, den schwarzen Mann von seinem Pult zu meißeln. Mit wenigen Schritten glitt er in die Mitte der Tanzfläche. Marschierte auf der Stelle, als wolle er sich hinbewegen zu seiner Sehnsucht. Through the storm we reach the shore. You give it all but I want more. And I`m waiting for you.
Der schwarze Mann hob die Hände mit den Handflächen nach oben in den Himmel des Tanzpalastes. Seine Finger pflückten Erhörung. My hands are tied. My body bruised, she`s got me with. Nothing to win and nothing left to lose.
Dem schwarzen Mann rann jetzt der Schweiß wie Wasser unter dem Metallreif hervor. Seine Beine schienen zu zittern und das Parkett langsam zu zermürben.
Der schwarze Mann sang nun laut mit. With or without you. With or without you. I cant live with or without you. Seine ganze Verzweifelung tanzte er in Boden und Himmel. Die Götter hinter den Pulten grinsten.
And you give yourself away.
Der schwarze Mann ebbte mit den letzten Schleifen der Musik aus. Die Götter legten Belangloses auf und narrten den verbleibenden Rest.
Der schwarze Mann ließ sich vom Morgen verschlucken.

- A. H. -
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